Sonja Neuhaus
Wege in die Lebendigkeit
Praxis – Institut

 

Die Stille im Lärm ...

... scheint sich erst einmal zu widersprechen.

Wann hören wir Stille? Kann man Stille hören?

In dem hektischen Leben welches die meisten von uns führen ist wenig Platz für Stille.

Ein ständiges Summen der Computer, Klicks in den Smartphones, dazu der Verkehrslärm, die Gespräche von uns umgebenden Menschen, der Tinnitus im Ohr, das Vogelgezwitscher und Krähen der Hähne am Morgen, das Klockengebimmel

der Kirche... all das empfinden die meisten von uns als Lärm und hören die Stille dazwischen nicht mehr.

Ich durfte nun eine Woche lang erfahren, das man Stille tatsächlich hören kann. Sie ist in uns.

Ich war Teilnehmerin der Sommerakademie des Nelles Institutes und jeden Morgen gab es das Angebot, eine halbe Stunde vor Seminarbeginn, 30 Minuten im Sitzen mit offenen Augen still zu sein.

Ich hatte zwar schon Erfahrungen mit Meditationen gesammelt, aber bin noch nie "einfach" so still gewesen ohne Gedanken, Pläne schmieden, Reflektionen etc.. Meine Familie bezweifelte, dass ich das überhaupt könnte. Mit Yogamatte und Sitzkissen ausgestattet habe ich mich dann neugierig auf das Experiment eingelassen.

Und erleben dürfen, dass ich Stille hören kann - in mir und auch gemeinsam mit der Gruppe im Raum. Trotz all der oben beschriebenen Geräusche, die natürlich nicht extra für uns abgestellt wurden. Die Stille wurde erlebbar - eine sehr tiefe und faszinierende Erfahrung.

Nicht destotrotz sind 30 Minuten still zu sitzen schon auch sehr anstrengend. Irgendwann tut es hier oder da weh. Manchmal wollen die Gedanken überhaupt nicht mehr aufhören oder auch das Gefühl "es waren doch nun keine 30 Minuten" oder "heute hat er vergessen, die Uhr zu stellen" stellten sich ein.

Unser Stille-Seminarleiter teilte uns mit, dass wir definitiv bei dieser Übung nichts falsch machen könnten, allerdings auch nichts richtig. In jedem Moment ist die Erfahrung eine neue. Man lässt sich "einfach" darauf ein, was kommt und erlebt wie es auch wieder geht. Ohne Wertung - deshalb auch kein Richtig oder Falsch. Es stellt sich ein Sein ein. Und in diesem Sein hört man die Stille.

Wenn die Gedanken zu unruhig werden, dann kehrt man wieder in die Atmungswahrnehmung zurück oder lässt sich darauf ein, den Körper an den unterschiedlichsten Stellen wahr zu nehmen.

Eine wunderbare Erfahrung...

Als letzten Rat gab mir unser Stille-Seminarleiter noch mit auf dem Weg, dass ich daraus keine Pflicht machen soll, sondern den Moment nehmen, wenn ich den Impuls verspüre, in Stille mit mir zu sitzen.

Heute Morgen war es nun soweit und ich habe mich zum ersten Mal auf das alleinige Sitzen für 30 Minuten eingelassen. Es war schwer, weil sich 30 Minuten endlos anfühlten und ich gegen Ende der Zeit der sicheren Überzeugung war, dass ich bestimmt vergessen hatte, den Wecker am Smartphone anzustellen. Kurz bevor ich nachschauen wollte, klingelte dieser und läutete damit das Ende des Sitzens ein.

Das alleinige Sitzen ist noch einmal eine Herausforderung, da du nicht von der Energie der Gruppe mitgehalten und getragen wirst. Allerdings hatte das Alleinsein in Stille mit mir selbst inmitten des Lärmes etwas besonders friedvolles und erdendes.

Fazit: Ich werde auch künftig den Rat meines Lehrers beherzigen und mich in das Sitzen begeben, wenn mich der Impuls überkommt, die Stille hören zu wollen.